Die Erkenntnis
Delax

Ein Raum. Klein, aber leer wirkend. Mit einem Bett, einem Schrank und einem kleinen Beistelltisch, auf dem noch kleinere Dinge liegen. Ich darin.

Ich nehme einen Mantel aus dem Schrank, die Autoschlüssel vom Tisch und betrachte mich auf dem Weg nach draußen noch einmal im Spiegel. Ja, ich bin ein Mensch wie dieser und jener. Und wenn es einen Unterschied gibt, dann sehe ich ihn wenigstens nicht.

Das Auto ist kalt, aber das ist im Winter meistens so. Den Schieberegler auf Maximum, danach den Motor starten. Zusammen mit anderen Autos fahre ich durch die beleuchteten Straßen und höre langsame Musik. Nicht der ideale Einstieg für eine Nacht voll Party, aber es ist eher wie ein ruhiges Durchatmen vor dem Sprint.

Kurz vor mir bremst mich ein anderes Fahrzeug aus. Entspannt, von der Musik geleitet, weiche ich aus. Völlig überrascht sieht mich der andere Fahrer an. Mein Auto ist wohl so klein, dass es übersehen wird. Ich lächele zurück, als wolle ich sagen: "kann jedem mal passieren". Was immerhin auch stimmt.

Unterwegs komme ich durch einen Tunnel-Effekt. Völlig ohne Übergang von einer Dunkelheit in die nächste. Nur die Lichtquellen haben eine andere Positionen und sind verschieden gefärbt. Zehn Minuten später ist die Kassette im Radio am Ende der Seite angelangt und ich durch Zufall perfekt getimed an meinem Ziel angekommen.

Die Disko ist noch nicht sehr voll, aber die Schlange an der Kasse trotzdem, oder gerade deswegen, lang. Ich gehe durch, nehme meine Karte und genieße das Gefühl. Die Musik, die mir von den Räumen entgegenschallt, die Menschen, ihr Duft, der Geruch von süßen Getränken und die Lichteffekte, die von den überall angebrachten Scheinwerfern kommen.

Ich schaue auf meine Uhr und bemerke, dass ich etwas zu früh angekommen bin. Geistesabwesend taste ich meine Taschen nach meinen Ohrenschützern ab und stoße dabei mit einem jungen Mädchen zusammen, das offenbar gerade aus dem großen Saal kam. Sie wirft, ohne die Konversation mit ihrer Freundin zu unterbrechen, ein "Entschuldigung" in meine Richtung und bevor ich etwas erwidern kann, sind die beiden in der Menge verschwunden. Die Farbe wechselt wieder und das Plasma der Menschen wabert weiter. Die inzwischen gefundenen Ohrenstöpsel machen den Soundtrack aus den zwei Sälen zur Hintergrundmusik.

Zielstrebig laufe ich über die Treppen nach oben, durch die Doppeltür auf die Bar über die große Tanzfläche. Die Lautstärke der Musik schwillt auf ein angenehm vibrierendes Donnern heran. Der Raum um die Tanzfläche herum ist gut gefüllt, doch es kam noch nicht der entscheidende Moment, wo sich die Menge auf dem Parkett wild zuckend selbst feiert. Hier oben, direkt hinter der Lichtanlage ist ein Blick über die ganze Halle möglich.

Ich warte eine Zeit lang an der Bar und genieße das kühle Getränk in der warmen Umgebung. Mit gewissem Abstand schaue ich auf die Lichtshow. Zuckende Blitze, farbige Lichter und rotierende Objekte werden in den Saal geworfen. Die Menschen tanzen als Partikel durch die Szene wie ein verrückt gewordener Algorithmus.

Siehe da. Auftritt: Freunde und Bekannte. Hallo und Hände schütteln in den nächsten Momenten. Dann folgt die Suche nach einem freien Sitzplatz in der Cocktail Lounge. Schließlich setzen wir uns an einen kleinen Tisch. Es ist zwar eng, aber alle sitzen und unterhalten sich. Ja, mir geht es gut; wie geht es dir; ja, bei mir ist es auch so. Während der Unterhaltung füllt sich um uns herum der freie Platz.

Wir kämpfen uns wieder in den großen Saal. Der DJ dreht auf und wir stürzen uns in ein Meer von Leibern, Kunstnebel und Klang. Aus unserer Gruppe werden wieder Individuen, die im nächsten Moment auf der Tanzfläche eins werden mit den anwesenden Menschen. Musik um uns herum, Licht um uns herum und das Kollektiv tanzt, feiert, flirtet, berührt, verausgabt sich, schwitzt und pfeift auf das, was jeder einzelne vor noch einer Stunde war.

Die Menge fokussiert sich auf ein weibliches Mitglied, welches mir gegenüber tanzt. Sie schaut auf, unsere Blicke treffen sich, während wir scheinbar still stehen. Zweimal Hallo neben der Tanzfläche später kennen wir uns schon und unterhalten uns auf herrlich leichte und sinnfreie Art während wir etwas trinken.

"Und was würdest du am liebsten machen?" fragt sie plötzlich. Ich denke einen Augeblick nach und erwidere dann: "All das hier in ein Medium packen. Das Gefühl, das alle hier haben, mit Wort, Bild und Ton reproduzieren, damit es andere fühlen können." Das Mädchen schaut mich verwirrt an, lächelt und weiß nicht recht was sie antworten soll. Ich sehe sie an und füge schulterzuckend hinzu: "Das, oder Feuerwehrmann werden."

Mir ist klar, dass es nicht das ist, was meine Gegenüber erwartet hat. Sie lacht, ich lache und nach zwei weiteren, belanglosen Sätzen teilen sich unsere Leben wieder und sie geht weiter auf die Suche nach jemandem, der die richtige Antwort auf ihr Angebot hat. Ich schaue ihr kurz hinterher und verschmelze dann wieder mit der Masse auf der Tanzfläche, die weiter in die Nacht sich selbst feiert.

Viel später teilt sich die Menge wieder und ich trete heraus. Fertig, geschafft, aber glücklich gehe ich erneut in die Cocktail Lounge. Dort treffe ich auf einige meiner Freunde, denen es zu dieser Zeit auch nicht anders geht. Müde und fast am Ende der Kräfte verabschieden wir uns und verlassen die Disko kurz vor dem Anbruch des neuen Tageslichtes. Vorsichtig fahre ich durch die neu entstandene Schneelandschaft nach Hause. Hier und da fällt auch noch ein verirrtes Snowflake-Fraktal herab. Alles wirkt nicht mehr wirklich dunkel und die Strassen sind leer.

Zwischendurch wird das Auto innen warm und nach der lang wirkenden Fahrt komme ich an meinem Ziel an. Vom Auto zur Haustür höre ich Vögel zwitschern und atme tief die klare Morgenluft ein. Langsam breitet sich Nebel aus. Wie in Trance werden Treppenstufen genommen und Türen geöffnet. Doch dann komme ich wieder am Spiegel im Gang vorbei und wende für einen Bruchteil einer Sekunde meinen Blick darauf. Und verharre. Ach das ist der Unterschied. Ich bin Demoszener.

(c) 2001 by Delax. Basiert auf verwirrten und fast realen Erlebnissen. Wiedererkennung bleibt jedem Szener selbst überlassen.

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