Demo-Evolution
Tomaes
Die Geschichte der Demos ist eine Geschichte voller Missverständnisse... hoppla, falsches Thema. Ich komme vielleicht später noch drauf zurück. ;)
Aber Ernst beiseite: Wollte man 1990 außergewöhnliche Effekte sehen, war die Wahrscheinlichkeit, sie in einem Demo statt in einem Spiel zu finden, viel größer als umgekehrt. Der Ehrgeiz der Democoder, etwas zu zeigen was bislang als unmöglich galt, ist längst der Einsicht gewichen, dass das heute schwerlich möglich ist. War es damals möglich sich von "unten" langsam an die Grenzen der Hardware heranzutasten, ist heute klar, dass dieses Unterfangen zum Scheitern verurteilt ist, weil die Grenzen täglich nach oben verschoben werden.
Demos auf dem PC sind ein flüchtiger Schnappschuss von Vorstellungen über Design, Musik und der aktueller Technologie. Und langsam wurde deutlich, dass ein einzelner nicht mehr Schritt halten kann mit dem rasanten Tempo der Hardwareinnovationen und mit den Millionenbudgets von Softwarekonzernen.
Aus dieser Konsequenz heraus begann eine interessante Entwicklung. Demos schossen nicht mehr in die technologische Höhe, sondern in die thematische Breite. Nie dagewesene Effekte wurde zusehens durch nie dagewesene Designs und eine Vielfalt an Themen und Formen ersetzt.
Die Ursuppe kühlte sich langsam ab und es entstanden erste Arten, Genres, teils wie beim Film. Cartoon-Demos, 3D-Show-Demos, Mindfuck-Demos, Flatshading/Design-Demos oder Story-Demos. Und wenn der Code den gegenwärtigen Standards zu weit hinterher hinkt, geht es sicher noch als Oldskool-Demo durch.
Coder legen nun mehr Wert auf nahtlose Übergänge, auf stimmiges Timing von Effekten und Musik. Manche versuchen sich sogar an inhaltlicher Tiefe. Man möchte fast meinen, die obligatorischen Scrolltexte aus alten Zeiten seien in Form von designten und getimten Textfragmenten wiedergekehrt. Wirkliche Meinungsäußerung findet aber nicht statt. Bestenfalls versucht man, die persönliche Stimmungslage in nebulöse Metaphern zu verpacken, denn mehr als etwas anzudeuten wäre wohl doch zu uncool.
Auch das Echtzeit-Dogma ist etwas verloren gegangen. Wo die Vermischung von klassischer Animation, Videoelementen und Echtzeteffekten anfängt oder aufhört, ist oftmals kaum noch erkennbar.
Die einzige Herausforderung von technischer Natur liegt nicht mehr darin, WAS ein Demo zu zeigen vermag, sondern was gezeigt wird in Relation zu dem benötigten Speicherplatz. Von diesem Standpunkt aus haben 64-KB Intros, die Demos als Königsklasse abgelöst.
Auch wäre vor 10 Jahren niemand auf die Idee gekommen, ein Demo im TV zu zeigen. Heute sehen Demos schon so gut aus, dass sie wie programmierte Videoclips oder Kurzfilme aussehen und somit konsensfähig sind, und damit für eine breite Publikumsmasse kompatibel genug zu sonstigen Seh- und Hörgewohnheiten.
Die Frage, ob Demos etwas mit Kunst zu tun haben, ist nicht wirklich eindeutig zu beantworten. Vielleicht kann man am sie am ehesten mit Eisskulpturen vergleichen. Wie sie unterliegen Demos einer zeitlichen Errosion, einer rapiden Verwesung, bis zur Selbstauflösung.
Doch solange genügend Menschen daran interessiert sind, diese fragilen Softwaregebilde nicht gänzlich in Vergessenheit geratenen zu lassen, werden sie durch Emulation und Portierung konserviert.
Beinahe im Vorteil sind diejenigen, die ihre Demos auf genormten, standardisierten Plattformen produzieren. Ein C64-Demo wird man auch noch in 10 Jahren ansehen können, beinahe völlig unabhängig von der technischen Evolution.
So hat so manche Szene ihr Überleben denjenigen zu verdanken, die sich an ihre Wurzeln erinnern und bei denen das Verlangen nach nostalgischen Gefühlen (natürlich in erster Linie nach den Spielen, die in der Kindheit so faszinierten) so stark ist, dass sie mit viel Aufwand einen Emulator schreiben, bis er fast perfekt ist. Natürlich wird es jenen nicht gedankt, zumindest nicht von den letzten Moikanern der 8-Bit Ära.
Tomaes/TAP