Interview mit Freestyle
geführt von mad/os
[WildMag] Hallo Freestyle! Zu Beginn wäre ein kurzer Abriss über die Geschichte eurer Gruppe sicher interessant, oder kann man das schon irgendwo nachlesen?
[mindflower] Die Entstehung von Freestyle war wohl nicht die herkömmliche Art, eine Crew zu gründen, da die meisten Erstmember von Freestyle während der Gründung noch nicht einmal wußten, dass es die Demoszene überhaupt gab. Ursprünglich nannten wir uns Light Society und befaßten uns damit, einfache Effekte ohne diesen 'Demozusammenhang' zu coden. So fanden sich 4 Leute aus der Dresdner Umgebung (mindflower, mcc moses, obscure) recht regelmäßig zusammen (1995).
[WildMag] Wann begann sich Freestyle dann ernsthaft für die Demoszene zu interessieren?
[mindflower] Das war kurz vor der ersten Mekka 1996. Mcc hatte per Internet (awesome, das gab's damals im Osten noch nicht so viel :) damals herausgefunden, dass es da sogenannte Demoparties gibt und in Hamburg eine solche stattfinden soll. So versuchte ich mich an einem ersten 4-Channel-Compo-Track und als Crew starteten wir unser erstes 64k-Intro, was letztenendes nie released wurde.
[WildMag] Was war in den darauffolgenden Jahren euer erstes Release, dass man schon als "Erfolg" bezeichnen kann?
[muhmac] Nachdem moses und obscure die Crew verlassen hatten, wurden die Gruppen mmu und raze 'aufgesaugt'. Vudu und ich haben dann an einem kleinen Tracer gearbeitet, den wir auf der Dialogos '99 als Rotationshyperboloid in der 4k Compo released haben. Dort haben wir sogar knapp gewonnen, sozusagen unser erster Sieg in der 'Königsklasse'.
[WildMag] In dieser "Königsklasse" habt ihr kräftig weiter gecoded. "Störfall Ost" gewann auf der Dialogos 2000 und hat viele Leute wachgerüttelt. War das - also den Leuten zu zeigen, was möglich ist - geplant?
[vudu] Hehe. Noja, wir fanden es immer schon ein bißchen schade, dass die 4k's nicht zuletzt wegen Windows immer mehr an Bedeutung und auch Interesse beim Publikum verloren. Eigentlich war Störfall nur aus Spinnerei entstanden. Zuerst gab es nur den Soundtrack von mf. Also fing ich an, die Soundengine zu coden. Muh machte damals gerade mit OpenGL rum und während eines unserer Treffen entstand die Idee, passend zum "Industrialsound" eine "Industrieanlage" zu zeigen. ;) Zu Beginn waren wir uns gar nicht so sicher, das alles in 4k unterzukriegen. In dieser Phase stieß yamato zu uns. Das war zur Evoke 2000. Mit seiner Hilfe gelang es uns, das Intro-Basis-System erheblich zu verkleinern. Wir hatten nie vor, Leute wachzurütteln, sondern wollten wissen, ob so ein Intro mit Windows überhaupt möglich ist.
[WildMag] Um wieviel höher ist eigentlich der Aufwand, wenn man Techniken, die auch ein 64k-Intro oder Demo füllen könnten, in nur 4 Kilobyte quetschen will?
[mindflower] Für Störfall haben wir damals zirka 4 Monate Entwicklungszeit benötigt, und aktiv daran mitgearbeitet haben vudu, muhmac, yamato und ich. Wir sind eigentlich immer davon ausgegangen, dass wir ein 64k-Intro nie füllen können, weil wir nur den Aufwand kennen, ein 4k zu coden. Für ein 64k wäre das bei Freestyle dann der 16-fache Aufwand - und dazu hatte irgendwie keiner so richtig Bock. Poetry, das 64k, was wir zur TP2k released haben, hat konkret 3 Tage Coding/Tracking/Modelling gedauert. Sicher gibt es auch andere 64k's, die vergleichsweise recht viel Arbeitsaufwand benötigen, doch das meiste ist in einem Bruchteil von 4 Monaten zu schaffen.
[WildMag] Wieviel des vorhandenen Know-Hows und Codes aus früheren Produktionen kann man bei der Entwicklung neuer Intros, wie zum Beispiel dem 4k, das hier auf der Mekka von euch zu sehen war, 1:1 wiederverwenden?
[yamato] Das ist von Code zu Code verschieden. Mancher Code eignet sich wunderbar zur Wiederverwertung, anderer weniger. Bei unserem neuen 4k Intro haben wir das Störfall Ost Grundgerüst beibehalten und weiter auf Grösse optimiert, dazu kam eine komplett neue Soundengine und ein Tracer für die Lightmaps.
[WildMag] Ohne jetzt eine Betriebssystemdiskussion beginnen zu wollen, aber wie denkt ihr über die vor wenigen Jahren noch vorherrschende Meinung, Windows würde die Szene kaputt machen?
[yamato] Meiner Meinung nach stimmt das nicht. Windows macht nichts kaputt. Ohne Windows wären unseren letzten zwei 4k Intros überhaupt nicht möglich gewesen. Nostalgie ist zwar etwas schönes, aber soweit ich das mitgekriegt habe, war und ist die Demoszene für ihren Fortschritt bekannt. An der Stelle könnte ich jetzt auch fragen: Gibt es denn eine Alternative zu Windows? Und die nächste Frage: Wie viele von uns würden sich diese Alternative antun? Die Sachen, die in der Demoszene entstehen, sollen auch für andere PC-Benutzer zugänglich sein und nicht nur für Systemadministratoren.
Ich hörte schon oft, dass behauptet wurde, Assembler unter Windows bringt überhaupt nichts. Doch dies können wir nicht bestätigen. Unsere 4k Intros z.b. sind alle komplett in Assembler geschrieben. Und nicht nur zum kleine-Sachen-coden kann man Assembler unter Windows benutzen, sondern auch zum Optimieren auf Geschwindigkeit. Das ist genauso unter Windows möglich, wie früher unter DOS. Windows ist mehr Vorteil als Nachteil.
[WildMag] Vor wenigen Stunden wurden hier auf der Mekka ganze zehn 4k's gezeigt, darunter mindestens genauso gute Produktionen wie euer Störfall Ost. Was haltet ihr davon? Würdet ihr diese Entwicklung zumindest teilweise auf euer Engagement in den letzten Monaten zurückführen?
[yamato] Ist doch ganz klar, dass da genauso gute und auch teils bessere Intros dabei waren, als Störfall Ost. Das war uns auch klar, dass das so sein wird, denn wir lernen ja alle dazu (hoffentlich).
[vudu] Ja, wir sind begeistert! Man bemerkt auch eine deutliche qualitative Steigerung im 4k-Bereich: Mehr als die Hälfte der Releases kam mit Sound (in einem sogar die Störfall-Flächen ;)) - das war vor zwei Jahren noch nicht so. Und sicherlich haben Intros wie Mesha, Void3, Atc und unsere Produktionen ein paar Coder motiviert, mal wieder "richtig" zu coden. ;)
[WildMag] Ok, danke für dieses Gespräch!
[yamato] Wann gibt's Essen ...
[muhmac] Äh, ich muss weg.