Hühnerseuche
mad/os

Es ist ein Phänomen ohne gleichen. Schaut man in ein Lexikon, so findet man Auerhühner, Birkhühner, Haselhühner, Haushühner, Kammhühner, Perlhühner, Rebhühner, Schneehühner, Truthühner und sogar Raufußhühner. Aber kein Wort von einem "Moorhuhn". Jedenfalls bis jetzt...

Der zweite Teil des deutschlandweit bekannten Spieles löste einen Ansturm aus, wie ihn das Internet wohl noch nie erlebt hatte. Nach der Veröffentlichung am 20. August 2000 versuchten stündlich bis zu 100.000 Personen, das zirka 4,5 Megabyte große "Moorhuhn 2" herunter zu laden. Innerhalb der ersten 24 Stunden gelang dies immerhin einer Million Menschen. Und für alle, die diese Zahl noch nicht beeindruckt: Rein rechnerisch würde das einem Transfervolumen von sage und schreibe 4 Terrabyte pro Tag entsprechen!

Duzende Fernsehsendungen beschäftigten sich mit dem Spiel, die Zahl der Zeitungsartikel ist nicht einmal mehr schätzbar, Interviews in Radiosendungen, ganze Fanseiten im Internet, ja selbst auf dem Titel der Bild-Zeitung wurden die Moorhühner erwähnt. Inzwischen finden Suchmaschinen wie Altavista mehr als 20.000 Seiten, wenn man nach einem "Moorhuhn" sucht.

Das Spiel selbst ist dabei keineswegs so spektakulär, wie es die Zahlen vermuten lassen. Die Grafik ist verglichen mit heutigen Standards äußerst simpel. Duzende Bitmaps, teils handgemalt und teils gerendert, bilden das Spielfeld. Beeindruckend ist dabei nur das gut gemachte Paralax Scrolling (mehrere unabhängige Bildebenen) und die wirklich liebevollen Animationen. Aber auch der wichtigste Aspekt eines Computerspieles, nämlich das Spielprinzip, spottet jeder Beschreibung: Bewege die Maus und versuche, durch einfaches Klicken möglichst viel zu treffen. Das ist alles. Aber genau das macht den Reiz des Spieles aus. Jeder versteht es sofort, ohne auch nur einen Gedanken an eine Anleitung zu verschwenden. Einschalten und losklicken. Ein ideales Spiel für jeden, der wirklich nur während der Mittagspause spielen will.

Um so erstaunlicher ist, dass es Freaks gibt, die sich intensiver mit dem Spiel auseinander setzen und darauf basierend ihre eigenen Werke schaffen. Veränderte Grafiken wie z.B. "Star Wars", "Ostern" oder "Black & White" gab es bereits wenige Tage nach der Veröffentlichung von "Moorhuhn 2". Auch Maschinengewehr und Granatwerfer ließen nicht lange auf sich warten. Und natürlich gibt es neben diesen Add-Ins und Patches auch jede Menge eigenständiger Spiele, die "nur" das Spielprinzip nachahmen. Viele davon sind als Online-Spiel im Internet zu finden, einige basieren auf "Flash", andere sind wie das Original als normales Programm für Windows konzipiert. Ein paar dieser "Klone" will ich näher vorstellen.

Vampirjagd

Als erstes fiel mir ein Spiel namens "Vampirjagd" in die Hände. Es ist dem Original verblüffend ähnlich, obwohl natürlich nichts 1 zu 1 kopiert wurde. Das Werbespiel, das als Reklame für ein Musical dient, ist zumindest eine äußerst exakte Kopie des Spielprinzips der Moorhuhnjagd. Die Grafik ist in einem sehr ähnlichen Stil gehalten, die comicartigen Figuren bewegen sich über einen detailierten, über mehrere Bildschirmseiten scrollenden Hintergrund, die Punkteverteilung und selbst die Extras kommen dem Original verdächtig nahe. Alles in allem ein netter Zeitvertreib, der Spaß macht.

BufoStorch

Die virtuelle Storchjagd "BufoStorch" von BufoProject ist ein fast ebenso gut gemachter Moorhuhn Klon, an dem es nichts auszusetzen gibt. Die Grafiken und Animationen sind solide gestaltet und das schnelle Paralax Scrolling sorgt dafür, dass das Spiel auch auf älteren Computern ruckelfrei läuft. Dass man die Werbeseite, die beim Start erscheint, nicht überspringen kann, verzeiht man dem Autor gern. Einen Fan wird nur die Tatsache enttäuschen, dass es so gut wie keine versteckten Extras gibt. Lediglich ein Flugzeug (-25 Punkte) und ein großer Storch im Vordergrund (+25 Punkte) lockern das Geschehen auf. Ein unschlagbares Plus bei "BufoStorch" ist dagegen die Möglichkeit, im Netzwerk auch gegeneinander zu spielen!

Neben solch hochwertigen Spielen findet man natürlich auch jede Menge fragwürdige bis miese Produkte. Aus dieser Rubrik will ich stellvertretend nur die sogenannte "Eisadler Jagd 2000" von CAD-KAS vorstellen - zweifellos eines der schlechtesten Spiele, die ich je gesehen habe. Es basiert ganz offensichtlich auf einem Jump'n Run, das der Autor vor Jahren begonnen und nun stümperhaft umprogrammiert hat. Man kann den Bildschirm zwar zur Seite bewegen, aber nur nach rechts und nicht zurück. Die Grafik setzt sich zusammen aus Kindergekrakel und einigen unpassenden Fotos. Besonders erschreckend ist der Ton: Fröhliche Musik untermalt das markerschüternde Geschrei der explodierenden (!) Adler. Dass der Autor versucht, mit diesem Spiel Werbung für seine anderen Programme zu machen, ist schon fast peinlich.

Etwas besser aber nicht wirklich gut ist die "Hasenjagd" der Zeitschrift Super Illu. Die pastelfarbene Grafik kennt kein Scrolling, und auch sonst reicht das Spiel nicht einmal annähernd an die original Moorhuhnjagd heran. Es gibt zwar einige wenige Extras, aber die bringen keine Punkte. Gezählt wird lediglich die Anzahl der abgeschossenen Hasen, die genau wie bei der Eisadlerjagd explodieren. Spaß macht das nur begrenzt.

Ede Kowalski Ede Kowalski

Für den Schluß habe ich mir wieder ein besonders empfehlenswertes Spiel aufgehoben: "Ede Kowalski". Das Werbespiel, das übrigens für Sicherheitstechnik wirbt, stammt wie die Moorhuhnjagd aus dem Hause Phenomedia. Das allein muss natürlich kein Garant für Qualität sein. Doch die Erwartungen werden sogar übertroffen! "Ede Kowalski" präsentiert sich in wunderschöner Comic-Grafik, mit gut gemachten Effekten und perfekt passenden, stimmungsvollen Geräuschen. Das Spielprinzip ist der Moorhuhnjagd recht ähnlich, und doch ist "Ede Kowalski" ein eigenständiges Spiel, das einfach Spaß macht. Man kann sogar aus mehreren Schwierigkeitsstufen wählen. Störend ist nur der lange Abspann, den man nicht abbrechen kann. Aber das nimmt man gern in Kauf, schließlich war auch dieses Spiel kostenlos. ;-)

So weit mein kleiner Streifzug durch die Lebensräume des Moorhuhnes. Natürlich gibt es noch unzählige andere Spiele, wie zum Beispiel Die Rache der Sumpfhühner, die "Virtuelle Pinguin-Jagd" von AquaSoftware oder Varianten, bei denen man auf die Teletubbies oder die Bewohner des BigBrother Hauses schießen kann. Lustig ist so etwas immer, zumindest für 90 Sekunden...

Ach übrigens: Der Duden wird in seiner nächsten Ausgabe nicht nur das "Moorhuhn" sondern sogar die "Moorhuhnjagd" selbst beinhalten.

mad/os