CD-Qualität
The Update
Neulich fragte man in der Newsgruppe comp.sys.ibm.pc.demos nach dem Second Reality Soundtrack in CD-Qualität, wohl wissend, dass das Original ein S3M ist. Selbst wenn man CD-Qualität nur auf die digitalen Parameter reduziert, bleibt ein deutlicher Unterschied: CDs sind mit einer Abtastrate von 44100 Hz und einer Genauigkeit von 16 Bit (96 dB) ausgestattet, wohingegen S3Ms nur 8 Bit (48 dB) ermöglichen und die Abtastrate der Samples in den meisten Fällen unter 44100 Hz liegt. Das hindert moderne Abspieler natürlich nicht daran, beim Mischen daraus "CD-Qualität" zu machen, aber das bezieht sich dann auch praktisch nur auf die Parameter, nicht auf den Klang: Selbst wenn man annimmt, dass ein 16 Kanal S3M mit jeweils perfekten 8 Bit Samples (ohne Rauschen im letzten Bit) in eine 16 Bit Ausgabestrom mischt, kommt man dort nur auf effektiv 12 Bit (8 Bit Samples + 2^4 Kanäle). Auch kann man alle Samples zwar mit 44100 Hz mischen, doch die Frequenzen, die beim Samplen mit der Ursprungsrate verloren gingen (das Limit ist die halbe Abtastrate, d.h. einen Ton mit 1000 Hz muss man mit zumindest 2000 Hz samplen), tauchen dadurch nicht wieder auf. Mit anderen Worten, um den Second Reality Soundtrack in CD-Qualität hören zu können bedarf es mehr als des Abspielens mit XM-Play.
Um einen Modul wie folgt aufzuwerten, bedarf es mehrerer Programme. In diesem Fall fing ich mit dem ModPlug Tracker an, weil er im Gegensatz zu den anderen Windows-Trackern MadTracker und NoiseTrekker problemlos S3Ms liest und fehlerfrei abspielt. Dort ersetzte ich zuerst die Drums durch hochwertige Samples eines TR-909, da der Austausch, im Gegensatz zu Melodie-Instrumenten, recht gefahrlos für den Gesamteindruck ist. Als nächstes galt es, die einzelnen Spuren getrennt auf die Platte zu schreiben, um sie einzeln filtern und abmischen zu können. Da der ModPlug Tracker leider keine Möglichkeit vorsieht, einzelne Instrumente zu muten, so wie es in MadTracker möglich ist, mußte ich die Samples, die gerade nicht gefragt waren, aus dem Modul entfernen. Das ist nicht elegant, funktioniert aber ganz gut. Da viele Tracker die Tracks nicht MIDI-like nur einzelnen Instrumenten oder Instrumentengruppen zuweisen, kann man leider auch selten einfach ganze Tracks muten, um die Instrumente zu trennen, wer selbst komponiert sollte das aber vielleicht in Erwägung ziehen.
Das Ergebnis dieses Schritts waren 13 Mono-Spuren, die zusammen etwa 330 MB ergaben. Diese lud ich in CoolEdit Pro (ein beliebiger anderer Multitrack Editor hätte es auch getan) um sie dort zu filtern und abzumischen. Der erste Schritt zum guten Sample ist für gewöhnlich der Equalizer. Wenn man z.B. eine alte Bandaufnahme hat, deren Höhen im Laufe der Jahre abhanden gekommen sind, kann man diese mittels geschickter Einstellungen wieder reanimieren. In diesem Fall aber waren sie nicht mehr existent. Die Sampleraten von teils nur 8363 Hz haben sie unwiederbringlich verworfen, weshalb ein anderes Werkzeug zum Einsatz kam: Ein "Harmonic Exciter" genannter Filter, der, anstatt vorhandene Höhen zu verstärken, das Signal zuerst analysiert und dann zu den stärksten Frequenzen neue Obertöne hinzufügt. Das ist nicht immer natürlich, klingt aber meist wie ein kleines Wunder. Insbesondere der Chor hat davon profitiert, da er nun nicht mehr unter der Bettdecke singen muß.
Der Bass bekam die herkömmliche EQ-Anwendung, was allerdings ein weiteres Problem aufdeckte: Wahrscheinlich aus Spur-Mangel hat Purple Motion nicht das ganze Stück mit einer Basslinie versehen, und an manchen Stellen reicht er ziemlich in die Mitten hinein. Das fiel so nie auf, da er wenig Druck hatte und unter den Mitten ziemlich unterging, aber nachdem ich ihm die Möglichkeit gab, sich im Bass-Bereich richtig auszutoben, wirkte das Stück an manchen Stellen etwas komisch. Die Lead-Synthis hatten dann noch die Chance, eine Fahrt durch den Reverb-Filter mitzumachen, wofür sie sich mit einem eleganteren Klang bedankten. Reverb bringt immer das Risiko des Übermuts des Toningeniuers mit sich, aber wenn man ihn dezent einsetzt, kann man der Melodie mehr Raum verleihen ohne sie übermäßig laut zu machen.
Den letzten Schliff bekam der Song durch ein paar Kompressoren hier und da, um z.B. aus einzelnen Bass-Ausreissern eine gleichmäßigere Linie zu machen. Bei Melodiestimmen kann ich davon nur abraten, es nimmt die Dynamik aus dem Stück, so dass es nachher wie aus dem Radio klingt. Wenn man dann die einzelnen Spuren so hat, wie man sie möchte, kann man sich daran geben, sie dazu zu bringen, auch zusammen gut zu klingen. Durch den EQ haben sie ja schon ihre Frequenzbereiche zugeteilt bekommen, so dass nur noch klar werden muß, wie laut sie werden und wo sie im Stereopanorama landen. Bei Purple Motions Stück lies ich die meisten Spuren in der Mitte, da das original S3M ja schon praktisch Mono war (Stereo in dem Sinne, dass die eine Hälfte hart links, die andere hart rechts gespielt wurde) und ich da nicht mehr viel Spielraum hatte, es wirkte einfach nicht ausgeglichen. Auch hier gilt das gleiche wie beim Reverb, wer zuviel spielt riskiert den Klang, in Maßen ist's aber wirklich sinnvoll.
Der letzte Schritt war wieder einfach, ich lies CoolEdit das Ergebnis auf Platte schreiben und komprimierte es im MP3-Format. Hier wird auch deutlich, dass sich zu viel Aufwand beim Feintuning im Multitrack-Editor gar nicht lohnt: Die Sachen, die man vorher nur mit viel Phantasie hört, sind nach der Komprimierung garantiert weg. Wer bis auf 0.01 dB genau abstimmt, ist selbst schuld.
Das fertige Stück kann im Internet unter copro.org/malte/2nd_pm.mp3 herunter geladen werden.
Abschließend sei noch angemerkt, dass dieser Spaß recht hohe Anforderungen an RAM und Platte stellt: Die 13 Mono-Spuren müssen gleichzeitig abgespielt werden. Das sind an sich 13 * 88 kb/s, also etwa 1,1 mb/s. Das klingt nach wenig, wenn man eine halbwegs neue Platte besitzt, allerdings ist zu bedenken, dass die 13 Spuren wild verstreut sind. Meine IBM-DNES (Dauertransfer 12 mb/s) kam schon ziemlich ins Schwitzen, und ich war froh, dass ich System und Swap auf meiner anderen Platte hatte. Und was den RAM angeht, so kann man dabei eigentlich nicht genug haben. Noch einmal zur Erinnerung: Allein die Quelldaten betrugen 330 MB.