Xtra
Tomaes

"Hallo!" Schweigen. "Hallooo.. ist da jemand?!?" Nein, offensichtlich nicht. "Verdammt, es wird doch irgend jemand da sein..." Nein, und nochmals nein. Niemand ist hier und es muss schon verdammt lange her gewesen sein, dass sich eine Menschenseele hierher verirrt hat. Kein Anschluss unter dieser Nummer quasi... Gab's hier überhaupt ein Telefon?

Ein gespenstischer Ort. Wenn man die Wahl hätte, zehn Minuten hier zu warten oder 3 Monate hinter schwedischen (warum ausgerechnet "schwedische"?) Gardinen zu verbringen, würde man sich mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit für das Letztere entscheiden. Jedenfalls kein Ort, an dem man seinen Sommerurlaub verbringen würde. Zu kalt, zu abweisend, irgendwie unangenehm.

Es nützt wahrscheinlich nichts, und irgendwie wird es ihm auch langsam klar, aber rein prophylaktisch ruft er noch ein letztes Mal in die Stille: "Verdammt, warum meldet sich denn keiner?!" Warum wohl. Wo nichts lebt, kann sich auch nichts melden. Totenstille.

Ein leises Knarren, weit in der Ferne, nein eher ein sägendes Dröhnen, kommt langsam, aus noch unbestimmter Richtung, näher. Er dreht sich um und versucht, zunächst vergeblich, die Schallquelle zu orten. "Es muss aus dieser Richtung kommen...", vermutet er. Er spitzt die Ohren, und in der Tat, die anvisierte Richtung muss es sein. Motorengeräusche nähern sich mit zunehmender Geschwindigkeit. Auch eine Staubwolke wird sichtbar.

Ein zaghaftes Lächeln macht sich auf seinem kargen Gesicht breit. "Na, wer sagt's denn...", murmelt er in sich hinein. Doch jemand da. Irgendwie kommt er sich vor, als warte er auf den Bus, der einfach nicht kommen will. Das errinnert ihn an einen alten Cartoon: Ein Flugsaurier fliegt durch die Luft und in der Sprechblase steht: "Ich weiss gar nich, was die Urzeit ist..." Er konnte schon damals nicht drüber lachen (wahrscheinlich hatte er den Witz einfach nicht kapiert). Was soll's, er war eh' immer einer von der Sorte, die zum Lachen in den Keller geht, oder besser gleich 200 Meter unter Tage...

"Ein Motorrad!", durchfährt es ihn (sensationelles Wortspiel ;-) ). Naja, etwas mit Rädern und Motor halt, sieht aus wie eine abgewrackte Harley. Ein bärtiger Mann, wahrscheinlich kaum älter als er selbst, steuert das Gefährt. Er zieht er einen Kometenschweif aus Asche und Staub hinter sich her. Der Motor stottert etwas, was ihn spontan an seinen verstorbenen Onkel Heinz errinnert.

Es dauert noch etwas, bis der Harley-Fahrer hier ist. "Kann ich überhaupt davon ausgehen, dass er mir freundlich gesinnt ist?", fragt er sich eindringlich selbst. Je näher die Maschine kommt, umso schneller vermehren sich seine Zweifel. Vorsichtig zu sein, ist in jedem Fall nicht das Schlechteste. "Sollte ich nicht erstmal Deckung suchen und abwarten, was passiert? Andererseits, was soll schon passieren..." Wahrscheinlich würde er einfach weiter fahren, ohne ihn zu bemerken, falls er sich versteckt. Dann würde er ewig hier festsitzen. Ob je wieder jemand hier vorbei kommen würde? ...äußerst fraglich... Also, was tun?

Doch seine (möglicherweise unbegründete) Angst treibt ihn dazu, sich in einer der verlassenen Werkshallen, unweit eines riesigen Turmes, zu verstecken. Er hockt sich hin und wartet auf den eintreffenden Unbekannten. Gespannt sieht er der Staubwolke beim Näherkommen zu. Eine Waffe wäre jetzt nicht schlecht. Irgend etwas, womit man sich verteidigen kann. Er kramt in seiner linken Hosentasche und zieht ein kleines Taschenmesser hervor. "Damit kann man ja nichtmal einen 6-Jährigen erschrecken...", kommt es ihm in den Sinn. Aber besser als gar nichts, denkt er sich, und zieht mühsam die schmale Klinge heraus.

Von wegen Harley-Fahrer. Jetzt sieht er es genau. Auch die Maschine, die er noch vor wenigen Minuten als Motorad zu erkennen glaubte, schien eher mit einem Raumschiff vergleichbar. Es gab zwar zwei Räder (eins vorn, eines hinten), aber ein Motorad im eigentlichen Sinne war dies schon lange nicht mehr. Auch der bärtige Mann nahm zunehmend sonderbare Züge an. Für den Augenblick schien es die bessere Lösung zu sein, sich weiter versteckt zu halten.

Jetzt passiert etwas Sonderbares. Die Geschwindigkeit der ankommenen Maschine (was immer es sein mag) verringert sich drastisch und kommt in kurzer Zeit gänzlich zum Stehen. Entgegen allen Erwartungen entsteigt niemand dem sonderbaren Fahrzeug. Es steht zunächst einfach nur da und bewegt sich nicht einen Millimeter von der Stelle.

Die Minuten vergehen. Das gänzlich schwarz glänzende Etwas bewegt sich nach wie vor nicht von der Stelle und ist etwa 50 Meter entfernt. So langsam beginnt er nervös zu werden und es würde ihn nicht überraschen, wenn ein kleines grünes Männchen ausgestiegen würde, um ihn nach dem Weg zu seinem Heimatplaneten (Mars?) zu fragen. Doch statt dessen wieder diese bedrückende, unerklärliche Stille. Wenn sich in 5 Minuten noch nichts regt, so beschließt er, will er der Sache auf den Grund gehen...

Dreihundert Sekunden später hat er sich bereits um wenige Meter an das edel in der Sonne blinkende Mysterium herangetastet. Immer noch ist eine genaue Diagnose dessen, was er vor sich hat, kaum möglich. "Ist es ein Vogel, ein Flugzeug, oder ein UFO", hört er sich selbst ironisch fragen. "Nein, es ist Superman!" Ha, ha... Aber jetzt muss er solche Gedanken wieder schnell verdrängen und sich auf das Wesentliche beschränken. Auf das einzig Wichtige in diesem Moment. Die Erkundung des komischen Etwas, dass etwa 10 Meter vor ihm liegt und eine gewisse Unruhe auf ihn abzustrahlen scheint...

Tomaes/TAP/WildMag/IMAgE