Die Schöne und der Trottel
Sebastian Lüth
Als ich noch in die Schule ging, also vor rund 40 Jahren, hatte ich ein Problem. Allerdings sah ich es damals noch nicht so.
Aber nun der Reihe nach: Ich ging also damals zur Schule, einer Schule mit vielen langweiligen Fächern und Lehrern. In solchen langweiligen Stunden lag ich nun oft schlafend auf der Bank. Ich lag aber nicht irgendwie, sondern auf meinem linken Arm, so daß ich nach rechts in die Klasse schauen konnte (ich saß nämlich ganz links). Ich lag eigentlich ziemlich oft so da, ich konnte so am besten schlafen.
Als ich nun mal wieder so da lag und aus meinem schönen Schlummer erwachte, sah ich sie. Ihr Anblick traf mich wie ein Schlag. Ich schaute direkt in ihr wunderschönes Gesicht und ihre einzigartigen Augen. Aber wer war sie? Wie kam sie in die Klasse? Erst nach einer Weile, nachdem ich den Schock etwas überwunden hatte, erinnerte ich mich daran, daß es ja Ellen, eine Klassenkameradin, war.
Mit dieser Stunde änderte sich vieles. Ich lag jetzt meist nur noch wach auf der Bank und beobachtete sie. Ich versuchte auch oft, in ihrer Nähe zu sein und mich mit ihr zu unterhalten, doch leider waren auch oft andere aus meiner Klasse um sie, so daß ich mich nicht richtig traute. Eigentlich wollte ich auch nicht all zu sehr auffallen.
Nach langem Warten zeigte sich dann doch endlich ein Lichtschimmer am Horizont. Ich sollte ihr nämlich etwas in Physik und Mathe helfen. Ich war total happy darüber, da wir ja dann ungestört sind. Aber alles ging schief. Sie kam zu mir, und ich hab ihr ein bischen was in Mathe und Physik erklärt, wobei wir dabei ab und zu auch mal ein paar andere Satzbrocken wechselten. Aber irgendwie hatte ich mehr erwartet. Ich war total niedergeschlagen, mir blieb nur noch das Träumen von ihr.
Zu Weihnachten schrieb sie mir dann aber erstaunlicherweise eine Karte, auf der unter anderem auch stand: "Ich wünsche Dir, daß all Deine Wünsche in Erfüllung gehen." Ich war total glücklich über diese Karte, doch manchmal dachte ich so bei mir: "Wenn sie wüßte, was ich mir wünsche."
Nach dieser Karte fieberte ich dem 1. Schultag entgegen, denn ich dachte, daß sie meine Bemühungen um sie erkannt und verstanden hat. Dadurch erhoffte ich mir eine glückliche Wende in meinem Liebesleben. Aber es geschah nichts. Sie war genauso wie früher zu mir, was mich sehr ärgerte.
Ein zweiter Lichtblick war der Landessprachwettbewerb für mich, denn unsere Schule wollte dafür ein Video drehen. Natürlich machte ich auch mit, da ja Ellen dabei war. Ich kann nur sagen, es war ein blanker Reinfall für mich. Wir unterhielten uns zwar ab und zu kurz miteinander, aber ich traute mich nicht, sie etwas spezieller zu fragen. Ja, was den überhaupt? "Willst du mit mir gehen?" klingt viel zu abgedroschen und "Willst du meine Freundin werden?" auch. Nun, so strich auch die letzte Chance ungenutzt vorüber.
Nach dem Abi versuchte ich sie noch ein paar Mal auf Klassentreffen wiederzusehen oder schrieb ihr. Aber zu den Treffen kam sie nie und meine Post kam auch immer mit "Empfänger unbekannt" zurück.
Ich versuchte, sie dann ziemlich aus meinem Leben zu drängen. Aber ab und zu träumte ich noch von ihr oder schaute sie mir auf dem Video vom Landessprachwettbewerb an.
Später hairatete ich Bärbel und ich muß sagen, wir waren glücklich miteinander.
Nur ab und zu mußte ich noch an Ellen denken. Ich hatte mich damals wohl total in sie verliebt.
Zu meinem 60. Geburtstag schlug dann die Bombe ein. Ellen kam nämlich zu mir. Die alte Liebe entflammte sofort wieder, ich glaube sogar stärker noch als früher.
Dann führte ich ein Doppelleben. Einmal lebte ich mit meiner Frau zusammen und betrog sie mit Ellen. Aber meine Frau kam dahinter und ließ sich scheiden. Ich zog natürlich zu Ellen und war noch nicht einmal traurig deswegen. Aber als ich eine Woche mit Ellen zusammen lebte, sagte sie mir, daß sie Krebs habe und nur noch rund 2 Monate zu leben hatte. Für mich stürzte eine Welt zusammen, als Ellen starb. Plötzlich war ich ganz allein, ohne einen Freund.
Warum bin ich nur so ein Trottel.