Molkov
LIN 8080
Molkov ist ein großer Planet, fern dem Treiben der weiten Galaxis. Die Sonne dieses Systems strahlt mit einem kräftigen Hellblau weit hinaus in den Weltraum. Ganze 18 Planeten unterschiedlicher Grösse umkreisen diesen blauen Zwerg. Aber nur der 13. Planet ist gross genug, um eine mächtige Atmosphäre zu bilden. Dadurch werden die harten UV-Strahlen gänzlich abgeschirmt.
Aus grauer Vorzeit sei hier einmal ein Meteor eingeschlagen, so sagen die Wissenschaftler über Molkov, und habe das Leben mitgebracht. Eingeschlagen hatte tatsächlich einmal etwas, seither ist alles ganz anders auf Molkov. Die wenigen Bewohner dieses grossen Planeten siedeln weitläufig zerstreut. Aber sie kennen sich alle, obwohl sie sich manchmal ein Leben lang nicht sehen. Es sind durchweg Telepaten, sie benützen keine Sprache, haben daher keinen Kehlkopf. Sie brauchen keine Augen, weshalb diese Organe sehr klein und eher verkümmert sind. Und sie haben keine Ohren, es gibt nichts zu hören auf Molkov.
Überalldem haben sie eigentlich auch gar keinen Kopf. Eine dicke Knochenplatte, ähnlich einem Schildkröten-Panzer, befindet sich da. Und eine richtige Schulter haben sie auch nicht. Sie habe drei Arme, darunter sind drei Beine. Dazwischen ist etwas wie eine Ziehharmonika. Damit strecken sie sich über drei Meter hoch. Und sie haben eine gelbe Farbe, eine goldgelbe Farbe.
Riesige Pflanzen wachsen langsam etwa 200 Meter hoch in den Himmel. Saftige Früchte liegen tonnenweise am Boden verstreut. Verschiedene, seltsame Tiere ernähren sich davon und den Molkovern schmecken sie auch. Manchmal sogar sehr.
Mit ihren vielen Beinen und Armen könnte man sie auf den ersten Blick für eine mutierte Affenart halten. Ein zweiter Blick würde daran wohl nicht viel ändern. Falls man das Glück haben sollte, einen Molkovianer überhaupt zu sehen, sie verstecken sie gerne. Durch ihre speziellen telepatischen Fähigkeiten erkennen sie alles in ihrer Umgebung. Ob es ein gefärlicher Felsabhang im Dunkeln ist, oder eine 200 Meter hohe reife Frucht im bläulichen Sonnenlicht. Es entgeht ihnen nichts. Wenn sie still sitzen und sich konzentrieren, mag es wohl so aussehen, als dösen sie vor sich hin. Tatsächlich aber wandern sie in Gedanken quer über den Planeten, wohin sie wollen.
So gibt es keine Strassen, keine Fahrzeuge, keinen Raumhafen, keinen Rohstoffabbau, nichts, was die grosse Galaxis für erstrebenswert hält. Es gibt Stille. Manchmal etwas Wasserrauschen, gelegentlich ein wenig Blätterrascheln und Stille. Eine unerträglich gewaltige Stille. Auf dem ganzen Planeten.
Kein Wunder, dass sich niemand für Molkov interessiert. In diesem abgelegenen Winkel der Galaxis schlummert aber eine Kraft, von der man nicht einmal träumen kann, weil man sie einfach nicht kennt. Das liegt daran, dass viele Lebewesen dafür gar kein Sinnesorgan entwickelt haben. So können sie diese auch nicht wahrnehmen. Man könnte solche Existenzen als primitive, unterentwickelte Primaten bezeichnen. Aber eigentlich müsste man sich ja nur die Mühe machen, die verkümmert vorhandenen Organe etwas zu trainieren.
Genau das geschieht aber nicht. Die Molkover verlassen ihren Planeten nur in nichtmaterieller Form, wenn sie eine ihrer ritualisierten Versammlungen abhalten. Dann gehen sie aber eher spazieren und schauen hierhin und dorthin. Selten, dass sie dabei erkannt werden. Unglaublich, dass sie irgend etwas verändern würden. Noch viel unwahrscheinlicher, dass sie sich dabei bemerkbar machen. Seltsam genug, dass sich gewisse Dinge verändern, wenn sie von Molkovern öfter betrachtet werden.
Aber trotzdem existiert eine tiefe Verbundenheit zwischen Molkov und dem Rest der Galaxis. Denn wenn ein Molkover etwas betrachtet, dann sieht er, was da ist. Dazu benötigt er kein Wort, kein Licht, keine Zeichen, er erkennt es, erfährt es, weiss es. Er stellt sich dann vor, wie das wäre wenn ... und später wird es dann genau so. Von sich aus. Und das wiederum erfreut die Molkover.
Es ist nicht zu fassen, wenn aus dem Nichts heraus etwas entsteht, wenn man nicht erkennen kann, warum es sich entwickelt. Man spricht dann gerne von einem Wunder, aber es ist kein Wunder. Meist war es ein Molkover, der auf unsichtbare Art und Weise die Fäden zog. Doch so etwas geschieht selten. Dennoch erklärt sich genau daraus diese tiefe Verbundenheit. Weil die Dinge, die entstehen, sie wollen gefallen. Und wenn dann jemand kommt und sich über diese Dinge freut, eben dann entwickelt sich so eine Art Beziehung. Und sagt ein Molkover dann so oder so, dann verändert es sich ein wenig, weil dies Anerkennung findet.
Man darf das nicht verwechseln, weil viele Wesen dieser Galaxis sagen so oder so, es ist eben keine Kraft dabei, selbst wenn es so oder so werden würde, es wäre nicht zum Wohlgefallen, es würde weiter verändert werden. Solcherlei ist natürlich schwierig zu beschreiben, hauptsächlich dann, wenn von vorneherein eine ablehnende Haltung vorhanden ist. Es ist bei den Molkovern eben alles ein bischen anders als sonst überall in der Galaxis.
Nun ergibt sich aber ein ganz spezielles Problem. Ja, weil eben jetzt gerade so ein Molkover etwas schräg hinter, über dir verweilt und dich betrachtet. Ganz einfach, weil du diese Zeilen liest, und dabei bereits mehrmals diesen Namen Molkov dachtest. Es könnte ja auch so sein, als habest du gerufen. Irgendwie fühlst du dich plötzlich beobachtet, kannst aber nicht sagen, von wem, oder gar von woher. Und weil dir so etwas schon öfters passiert ist, bist du eher geneigt, diese Empfindung zu ignorieren, weil du sie ja nirgends zuordnen kannst. Ja, du meinst vieleicht sogar, dies als lästig bezeichnen zu müssen. Normalerweise denkst du an etwas anderes, oder lenkst dich sonstwie ab.
Aber irgendwie ist es eben jetzt besonders deutlich, dieses Gefühl, beobachtet zu werden. Nun, es ist ein Molkover, der dich betrachtet. Er befindet sich meist hinter dir, weil er eine direkte Konfrontation meidet. Denn er weiss, das du Angst haben könntest, wenn dir sowas direkt geschieht. Aber, was will er da bloss? Hat er gar etwas gesagt? Etwas, das Kraft hat und deshalb Wirkung zeigt? Siehst du, wie gut es ist, dass du jederzeit sagen kannst, ist doch gar nicht wahr, oder sowas ähnliches. Oder was würdest du tun, wenn sich plötzlich der Kuli bewegt und irgendetwas irgendwohin schreibt?
Nur, dieser Molkover hat etwas gesagt. Und das wird Wirkung haben. Ganz allmählich wirst du dich verändern. Nicht viel, aber eben entscheidend. Es wird dir nicht auffallen, du achtest ja nicht auf solche Kleinigkeiten. Aber, es ist nun eben so, das dieser Molkover dich nun schon dreimal betrachtet hat, und jedesmal hat er was gesagt, zu dir. Und schau dich an, du hast dich verändert. Auch wenn du es nicht wahrhaben willst. Das ist aber eher weniger von Bedeutung.
Leider ist es nun auch noch so, das eben dieser Molkover dich später noch einmal betrachten wird. Was meinst du, wirst du dann bemerken, dass er hinter dir, schräg oben, weilt? Du könntest ihm zuwinken, ihn ansprechen, auch wenn dir das albern vorkommt, weil du eben dort nichts siehst. Es gibt da auch nichts zu sehen, da ist nichts Sichtbares. Es gibt kein Messgerät für solche Dinge. Keiner hat je ein solches gebaut. Wozu auch, wegen Nichts? Eben darum geht es diesen Molkovern ja so gut, bis heute.
Und was, wenn es diese Molkover gar nicht gut mit dir meinen? Was, wenn sie erkannt haben, das du schlecht bist, und dich vernichten? Wie willst du dich dagegen wehren, wenn doch da nichts ist, und trotzdem was passiert. Hm. Nun ja. Ist wohl doch besser, sowas zu ignorieren. Man kann ja doch nichts machen. Eben das ist aber nicht ganz richtig. Es ist ja nicht so, dass du plötzlich ein Fall für Neurologen wirst, das nicht, obwohl ein Neurologe das ganz klar feststellen könnte. Nein, es ist eher, weil du da etwas hast, das dich befähigt festzustellen, dass du beobachtet wirst, obwohl du nicht sagen kannst, von wem und woher. Das ist es. Und weil du ja weisst, dass du eben das trainieren kannst, deshalb könntest du ja mal anfangen, das zu tun. Denn dieser Molkover hat etwas gesagt, etwas, das Kraft hat. Es ist gesagt und so wird es Wirkung haben.
Was immer das gewesen ist, es wird dich verändern, weil es wurde zu dir gesagt. Und was, wenn du in der Lage wärest, auch so etwas zu tun? Etwas zu sagen, das Kraft hat, das Wirkung zeigt. Nun, es ist ein weiter Weg zum Planet Molkov. Und die, die diesen Planet kennen, die sprechen nicht darüber, weil sie eben wissen, wie das ist, wenn man dazu etwas sagt. Aber dieser Text hier, der weißt dich doch darauf hin, dass da etwas ist. Das hat schon seinen Grund. Du bist ein wenig in der Lage, dieses verkümmerte Etwas in dir zu trainieren. Das ist Sinn und Zweck dieser Zeilen. Und? Neugierig geworden? Oder, alles wie immer...
Bis dann auf Molkov.