Mäusegetrappel
LIN 8080

Es ist düster, nicht eigentlich dunkel. Ein paar diffuse Lichtquellen, verdeckt von zahlreichen Plastikgehäusen. Wie Hochhäuser ragen sie empor aus einer Fläche, die wohl einmal ein Schreibtisch war. Schwer zu erkennen, aus was der Fußboden besteht, aber er sieht kalt aus. Es scheint Beton-Estrich zu sein. Er ist etwas rauh, hat viele Schatten. Mehrere kleine runde, grüne oder rote Leuchtdioden sind auszumachen, manche blinken aufgeregt.

Ein riesengroßer Raum, einer Fabrikhalle gleich, oder ein Lagerkeller mit gerader Decke, die das spärliche Licht verschluckt. Irgendwo tropft ein Wasserhahn, aber es könnte auch ein undichtes Rohr sein. Es hört sich jedenfalls so an, als tropfe es in eine Pfütze. So etwas ist in einem Kellerraum dieser Größe eher wahrscheinlich.

Das Licht kommt aus drei Bildschirmen, die unregelmäßig Flackern. Sie zeigen verschiedenen Inhalt. Auf einem könnte eine Werkshalle aus luftiger Höhe dargestellt sein. Es gibt dort Bewegung, etwas seltsam. Vielleicht handelt es sich um die Überwachungskamera einer Roboter-Fabrik, genau ist das aus der Entfernung nicht festzustellen.

Ein anderer ist fast schwarz, einige grüne Zeichen huschen darüber hinweg. Dadurch ändert sich entsprechend die Helligkeit. Da ist noch ein Bildschirm, er scheint in mehrere Flächen aufgeteilt zu sein. Gelegentlich ändert sich eine davon, aber es ist der größte von allen. Der macht auch das meiste Licht.

Davor sitzt ein menschliches Wesen. Man sieht allerdings nur sehr viele Haare und eine rahmenlose Brille, auf der sich die Bildschirme spiegeln. Und viele Falten auf der Stirn. Man sieht sie seitlich, hinten, in der Ecke. Seine Füße ruhen auf einem Stück Styropor, soweit zu erkennen, ohne Schuhe. Es könnten rote Socken sein, einer hat farbige Flecken, vielleicht Löcher.

Vor der Person ist ein wildes Durcheinander. Wichtigstes Element darin scheinen ein paar Tastaturen zu sein. Sie werden öfter benützt. Dabei entstehen ganz feine Klicklaute. Ziemlich kurz hintereinander, oder es ist still. Manchmal klickt es auf zwei Tastaturen. Es hört sich an, als ob Mäuse durch eine Röhre trappeln.

Es gibt noch ein schwaches Summen. Es muß sich um einen oder mehrere Motoren handeln, oder irgend etwas ähnliches. Sonst ist nichts zu hören. Von ganz weit entfernt ertönt manchmal ein tiefes Brummen. Offensichtlich von einem vorbei fahrenden Auto.

Es ist düster. Die Luft scheint abgestanden und stickig. Fast zum schneiden dick und vollgeraucht. Riechen kann man aber nichts. Es ändert sich eigentlich nichts. Manchmal verschwindet die Person, kommt aber gleich wieder. Leider zu weit entfernt, um genaueres davon zu erkennen.

Nun, es ist Sonntag morgen, das Zifferblatt würde 03:44 in schicken digital Ziffern anzeigen, aber es gibt hier nirgends eine Uhr. Seit Freitag Abend geht das jetzt schon so. Keiner kann sagen, wann es aufhört. Allerdings war das letzte Woche auch schon so, da hat es am Montag Morgen aufgehört, und die Person ist aus dem Raum geschlürft, mit gekrümmten Kreuz. Durch die einzige Türe, deutlich hörbar klirren dabei Schlüssel.

Wahrscheinlich geht das diesmal auch so, weil es die Wochen davor auch so gewesen ist. Seit Monaten schon. Aber immer noch kann nicht gesagt werden, was da vor sich geht. Klar, es muß irgendwas mit Computern zu tun haben, aber was genau ist unklar, äußerst unklar. Dennoch macht es neugierig. Könnte man doch nur etwas näher rücken. Aber man muß schon froh sein, wenn diese antike Überwachungs Kamera ihren Dienst einigermaßen ausführt.

Ihr Anschlußkabel verschwindet in der Wand, keiner weiss genau, wo und ob es irgendwo wieder herauskommt. Mehrere Spulen kurz vor der Wand übertragen winzige magnetische Änderungen an einen kleinen Sender. Aber, aus der Nähe betrachtet, sieht es aus, als wäre es ein Teil der Halterung für die Kamera. Damals mussten derartige Überwachungs Einrichtungen noch versteckt werden.

Diese Daten, vielmehr das Bild, das daraus rekonstruiert wird, füllt den Monitor vor mir. Ich bin sicher, da geht etwas ganz heimliches vor, aber ich kann immer noch nicht sagen, was das ist, wo das ist. Nur vermuten, wild spekulieren. Irgendwie beschäftigt mich das doch mehr, als mir recht ist. So mit einem Hauch von Rebbelion.

Eine Peilantenne hab ich mir extra besorgt, zur Signal-Verfolgung, hat aber nichts gebracht. Zu schwach, zu viele andere Quellen. Nur mit sehr teuren Geräten vielleicht möglich, vielleicht. Die Zoom-Funktion der Kamera steht nicht unter meiner Kontrolle. Leider. Ich habe mir auch überlegt, ob ich die Sache den Behörden melden sollte, aber dort würde es bei einem Stück Papier bleiben, das irgendwo verschwindet. Zu uninteressant der Fall. Oder man intressiert sich dort für mich. Gar nicht gut.

Trotzdem. Grund für schlaflose Nächte meinerseits. Wie gebannt starre ich auf meinen Bildschirm. Immer das Gleiche, grünliche Datenkolonen, irgendwelche festen Bilder, ein Typ, der ab und zu mal ein paar Streckübungen macht, nichts weiter. Das heißt, keine weiteren Anhaltspunkte. Was kann man da machen?

LIN 8080