Acht Uhr
LIN 8080

Ich bin ein Hacker, verstehst du?
So, So. Ein Hacker. Ja, was hast du denn schon alles gehackt, du sag mal.
Nichts besonderes. Meinst du, ich verrate dir hier meine Tricks?
Hm. Kennst du den Audio Codex für Media-Übertragung?
Meinst du, einen Pay-TV knacken?
Nicht ganz, Daten draufschalten.
Heiss.
Ja, ja.

Kleine Pause. Das Bier wird tranferiert. Ein Blick in die Runde.

Warte mal, da war doch mal einer, der bei *** eine Sound Sequenz ins Programm brachte.

Ein überraschter Blickwechsel. Ein EFM-Sensor zeigt erhöhte Aktivität. Nicht genug für den Schwellenwert Trigger der Raumüberwachung.

Das war ich.
Ach so. Wie? Was? Du warst das?
Pscht.
Wieso fragst du mich dann nach sowas?
Na ich dachte, du hast sowas drauf.
Ne du. Ich mach in Tarnung und Zugangs Codes.
Ach, das passt auch.
Wozu?
Na überleg doch mal.
Komm ich nicht drauf.
Wir schieben was in die 8 Uhr Nachrichten rein, einfach so.
Aha. Das müsste gehen. An was hast du denn gedacht?
He he. Das kann ich hier nicht sagen. Aber es ist heiss.
Na dann lass uns gehen. Du hast mich neugierig gemacht.

Ein paar Plastikkarten verschwinden im Tisch. Es rasselt leicht. Die Karten werden eingesteckt. Zwei junge Männer verlassen das Pumb In, ein bekanntes Lokal dieser Zielgruppe. Sie laufen zügig aber unauffällig durch mehrere Seitengassen ohne Videx. Nach etwa 10 Minuten stehen sie in einem Lift. Der befördert sie in den 8. Stock eines Wohnblocks. Ein Sensor der Sicherheitskontrolle stellt erhöhten Pulsschlag fest und macht eine Meldung beim Sittenverein. Dort ist momentan kein Personal verfügbar.

Die jungen Männer betreten einen Wohnblock. Der Schaltkreis des Türschlosses registriert Datum und Uhrzeit. Einer der Männer betätigt ein paar Schalter. Die Klimaanlage fährt hoch. Wegen eines fehlenden Entstör-Kondensators wird ein 50 Hz Knackgeräusch erzeugt, das einen Teil der EM-Feld-Kontrolle beeinflusst. Die Save-Voice-Eyes im Raume können leider nicht mehr saubere Daten übertragen. Eine entsprechende Meldung erfolgte bereits vor Wochen. Der Hausmeister ist anderweitig beschäftigt.

Nun sag endlich, was du vorhast.
Da, schau's dir an.

Ein junger Mann schiebt eine Karte in eines der zahlreichen Geräte, die den Wohnblock füllen. Ein Flatscreen erhellt sich. Ein junger Mann wird sichtbar.

Liebe Zuhörer. Wir lassen jetzt eine Bombe platzen. Damit stellen wir uns vor. Wir verlangen, dass die Regierung abgeschafft wird. Das ist keine Übung. Wir haben genug davon. Ab jetzt regeln wir vertraulich ihre Angelegenheiten. Äh. Guten Abend.

Der Flat Screen erlischt. Einer der jungen Männer hat sich gesetzt. Er ist etwas bleich im Gesicht geworden.

Wir, das sind 30 Leute.

Eine kleine Pause entsteht.

Gestern Abend wollten wir das bringen. Um 18 Uhr haben die aber den Code geändert. Deswegen bist du jetzt hier.

Wauw.
Die Uhr läuft. Schaffst du es bis 8?

Eine Tastatur, ein Fingerscanner mit Kunsthand und zwei Mäuse liegen auf einem Tisch, an dem einer der jungen Männer sitzt. Nach drei Stunden läuft ein kleines Programm. Es sucht sich über 32 Rechner einen File im Archivrechner einer grossen TV-Station. Nach 15 Minuten findet ein zweites Programm eine virtuelle Datei und kopiert sie. Nach zweieinhalb mal rund um die Welt landet diese Kopie in einem mobilen Rechner.

Das war's.
Wie, schon fertig?
Moment noch - da ist er.

Ein Bildschirm zeigt eine lange Zahlenkolonne.

Wahnsinn. Lass mich mal ran.

Die beiden jungen Männer tauschen die Plätze. Aus einer Tasche zieht einer von ihnen einen Plastikstreifen und sichert dort die neuen Daten. Er steht auf, betätigt ein paar Schalter und steht an der Türe.

Na, was ist? Es wird heute noch acht Uhr.

Diesen Satz hat Save-Voice-Eyes deutlich aufgezeichnet. Das Bild kann aber nicht gespeichert werden. Der Chip dazu wurde von der Stromversorgung getrennt. 0,3 Millimeter versilbertes Kupfer fehlen. Die beiden Männer verlassen den Wohnblock und steuern auf den Notausgang zu. Sie gehen leise in die unterirdischen Etagen des Gebäudes. In den Versorgungsräumen der Fernwärme AG sieht man sie auf einer Stahlleiter auf ein fünf Meter dickes Rohr klettern. Dieses Rohr verschwindet neben einem Wartungsschacht in der Wand eines Raumes. Da verschwinden die beiden jungen Männer.

Es ist noch eine Weile bis acht Uhr.

Ali und Mehmet arbeiten heute im Sektor zwei. Sektor zwei ist ein sehr unbeliebter Bereich. Die Leute dort sind Assoziale. Sie werfen ihren Müll einfach auf die Strasse. Ali und Mehmet haben aber Erfahrung. In ihrer Arbeitskleidung, und dazu gehört auch eine Atemmaske, schaufeln sie sich Ecke um Ecke vorwärts. Das Meiste machen ja die zwei Trucks der Firma. Nur die Ecken, die müssen noch manuel behandelt werden. Die Trucks sind bereits ferngesteuert. Ali läuft auf der rechten Seite und Memet auf der andern. Vor den Trucks. Die geben das Tempo vor. Das geht 7,5 Tarifstunden und 2,5 Überstunden. Ist nicht schwer, nur Dreck auf die Strasse werfen.

Einmal hat Ali ein Schmuckstück gefunden, in so einer Ecke. Aber sein Vorgänger, ein notorischer Trinker, der ist um die Ecke gegangen. Seither ist er Spurlos verschwunden. Deshalb ist Ali jetzt da. Nach Schichtende wird es noch ca. eine Stunde dauern, bis sie im firmeneigenen Wohnkontainer ihre Freizeit gestalten. Sie sitzen dann vor dem Fernseher und trinken.

Ali und Mehmet sind gute Kumpels. Sie kennen sich seit der Schule. Mehmet schaut routiniet über die Strasse und schiebt seine Atemmaske zurecht. Er beugt sich vor. Ali ist verschwunden. Verdammt, denkt er. Die Trucks sind zwei Meter entfernt. Schnell rennt er über die müllgefüllte Strasse. Aha. Ali liegt hinter den Trucks auf dem Boden. Ein Fernseher liegt auf der Strasse. Mehmet weiss sofort, was los ist. Einer dieser Bewohner hat seinen Fernseher aus dem Fenster geworfen. Er kniet neben Ali nieder. Eine kurze Untersuchung zeigt, dass irgendwie das Bein komisch aussieht. Schnell hat er ein Sprechfunkgerät in der Hand und spricht eifrig hinein. Die Trucks biegen an einer Kreuzung ab.

Mehmet hebt Ali auf die Schulter und beeilt sich, die Trucks einzuholen. Mühsam klettert er mit Ali auf der Rückseite des Behälters hinauf. In Gedanken flucht er über die Verhältnisse. Aber er kann ehdem nichts machen. Oben angekommen spricht er nochmals mehrere Worte in sein Sprechfunkgerät. Jetzt kann er nur noch warten. Nach knapp zehn Minuten fährt der Truck in einer anderen Richtung davon. Nach ca. zwanzig Minuten befährt der Truck die Zufahrtsstrasse der Firma.

Sein Vorgesetzter begrüsst Mehmet mit nichtssagenden Worten und hilft ihm, den Verletzten Ali auf eine bereitgestellte Trage zu bringen. Sie tragen ihn ins Bürogebäude. In den unteren Etagen befinden sich die Personalräume. Dort gibt es auch einen Sanitätsraum und da wartet ein Doktor auf seinen Patienten. Genau unter diesem Raum liegt ein hallenartiger Maschinenraum. Mehrere dicke Rohre kommen dort aus den Wänden und verzweigen über viele Umwege zum Kessel Drei der Müllverbrennungsanlage.

Es ist nun etwas verwirrend, was sich hier ereignet. Die Maschinenhalle ist normalerweise nicht beleuchtet. Aber heute ist dort die volle Hektik. Über 50 Männer und Frauen rennen oder sitzen irgendwo herum. Zahlreiche Kabel liegen wild durcheinander in der ganzen Halle verstreut. Irgendwo ist auch noch eine Kamera und ein Tisch, der genauso aussieht, wie der von den acht Uhr Nachrichten. Es ist kurz vor acht. Ein gepflegter älterer Herr nimmt hinter dem Tisch Platz. Ein portabler Raumteiler wird herbeigebracht, die Beleuchtung wird eingestellt.

Im Raum darüber gibt eben ein Doktor seinem Patient eine Spritze. Der Gips ist angelegt, eine Krücke steht bereit. Ali kann wieder aufstehen. Auf Mehmet gestützt machen sich die beiden auf den Weg zum Aufenthaltsraum. Mehmet besorgt zwei Bierflaschen. Der Fernseher wird angeschaltet. Ali sagt noch, er habe heute genug von diesen Dingern.

Dann ist es acht Uhr.

LIN 8080