Zinser
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Es ist Samstag Nacht. Genau 22:30 Uhr. Skoran Schmottkys grosse Mitternachts Show wurde soeben von einer bildhübschen Ansagerin angekündigt. Der Studio Leiter, Karl Frohsinn, legt ein paar Schalter um, schiebt drei Regler bis zum Anschlag. Sein Kontrollmonitor blendet über auf die Schmottky Bühne.

Zuschauer Axel, ein 12 Jähriger, der diese Sendung wegen des erhöhten Sex-Angebots heute Nacht heimlich sieht, liegt flach am Boden. Seine Hüften wippen leicht, seine Eltern hatten eine wichtige Einladung wahrgenommen. Axel sieht eine karnevallsähnliche Bühnengestaltung vor einer Grossstadt-Skyline. Das imaginäre Publikum spendet kräftigen Applaus.

Skoran wirft einen strengen Blick auf sein Spiegelbild und betritt entschlossen die Bühne. Mit ausgebreiteten Armen und jenem freundlichen Lächeln betritt er spannungsgeladen die Arena.

"Guten Abend liebe Zuschauer!" beginnt er in den abebbenden Applaus hinein seine Show. "Ein herzliches Dankeschön an unser Live-Publikum im Saale." Die Kammera zommt wie immer an dieser Stelle in die Totale. "Ich darf Sie alle herzlich begrüssen." Schmottke macht einen Schritt zurück, verbeugt sich leicht. Nach reichlichen Begrüssungsworten kommt er zum Thema. "Heute habe ich eine ganz besondere Überaschung für Sie vorbereitet."

Eine aushohlende Armgeste über das multimediale Arsenal vor dem er steht, endet im Klatsch seiner Hände. "Sie haben bestimmt schon davon gehört oder darüber gelesen..." Schmottke leitet sein Publikum behutsam und mit blumigen Worten zu einem eher komplexen Tabu. "...es geht um Mind Controll, Remote Viewing, kurz Telepathie. Gibt es das wirklich, oder ist es nur eine Erfindung der Presse?"

Schmottke schreitet stolz zum hinteren Bühnenrand. "Ich bin der Sache nachgegangen," er öffnet eine Türe in der Kullisse, "und habe den führenden Experten Mr. Davis Mc Dervall für sie in unser Studio eingeladen."

Ein spannender Moment entsteht. Auf einer Art Rollstuhl wird eine grosse elektrische Apperatur hereingefahren, in dessen Mitte Mr. Mc Dervall zu erkennen ist. Zahlreiche Kabel und viele blinkende Lichter verleihen diesem Etwas eine laborähnliche Note. Ein Assistent, weiblich, begleitet den Experten. Eine Hilfskraft aus dem Studio schiebt das Ganze vorsichtig in die Bühnenmitte. Schmottke lässt die Bilder erstmal für sich sprechen.

Dann nähert er sich der hübschen Assistentin. "Willkommen in meiner Live Show." begrüsst er seine neuen Gäste. Zur Kamera gewandt stellt er sie vor, "Sie sind Frau Renate Bayer-Rougleau und assistieren unserem Experten." Er deuted auf die Rollstuhl Apperatur. "Und hier unser Experte, Mr. Mc Dervall. Wie wir sehen können, hat er sich schon vor der Sendung vorbereitet. Wie fühlt er sich denn heute?"

Mit dieser retorischen Frage an die Assistentin beginnt ein kurzes Interview. Skoran Schmottke und Renate Bayer-Rougleau nehmen auf dem Polster einer kleinen Sitzgruppe Platz. Frau Bayer-Rougleau erläutert in kurzen klaren Sätzen die zunehmende Bedeutung von Mind Controll Verfahren in der Werbung.

Nach dieser kurzen Einführung kommt Schmottke zum Highlight seiner heutigen Sendung. "Ja, verehrte Zuschauer, wir haben weder Mühe noch Aufwand gescheut," beide stehen auf, "um sie heute exklusiv an einer solchen Mind Controll Sitzung teilhaben zu lassen."

Schmottke postiert sich stolz in der Bühnenmitte, die Einmaligkeit dieser Aktion ist ihm deutlich anzusehen.. "Ich darf sie um äusserste Ruhe bitten." Die Assistentin macht sich an den verschidenen Apperaten zu schaffen. "Wir haben in diesen Apperat," er deuted hinter sich, "eine Video Schittstelle installiert. So können wir direkt die Bilder aus dem Gehirn von Mr. Davis übertragen."

Er wendet sich etwas zur Seite. "Frage an die Regie, ist alles bereit für ein Probebild?" Eine typische Studio Lautsprecher Stimme vermeldet "Wir sind bereit." Schmottke atmet tief durch. "Na denn, blenden wir uns in die Gedanken unseres Experten Mr. Davis Mc Dervall ein."

Das Monitor Kontroll Bild vor Karl Frohsinn verdunkelt sich. Schnell gleiten seine Finger über die unzähligen Regler des Pultes vor ihm. Bläulich Lila färbt sich das, was im Moment millionen Fernsehzuschauer mitverfolgen. Nebelartig lösen sich Konturen, als tonale Beimischung ertönt Strassenlärm, wie durch ein geschlossenes Fenster.

"Ja, soweit die ersten Eindrücke unseres ersten Live Kontaktes." Die Kamera schwenkt wieder zu Skoran Schmottke. "Frau Bayer-Rougleau, können sie unseren Zuschauern erläutern, was wir da eben gesehen haben?" Renate Bayer-Rougleau ist sehr mit ihrer Konsole beschäftigt. Sie blickt kurz auf. Dann tritt sie hinter der Apperatur hervor und stellt sich neben Skoran.

"Wir haben Glück." beginnt sie strahlend, "Mr. Davis ist es gelungen, einen Kontakt herzustellen." "Sehr erfreulich," Schmottke blickt zu ihr leicht herunter, "Ja, möchten sie unseren Zuschaueren etwas ausführlicher erklären, was wir da eben gesehen haben." Die Kamera schwenkt total zu Renate, eine sehr attraktive Person.

Zuschauer Axel, 12 jähriger Schüler, rutscht etwas näher an den Monitor. Seine Phantasieen überschlagen sich beinahe. Bei mir sind sie nicht gelandet, stellt er fachmännisch fest. Seine Umgebung ist ruhig. Unbemerkt befeuchtet seine Zunge die Lippen, während sein Blick wie hypnotisiert dem Geschehen folgt.

"Es ist nicht immer einfach," beginnt Frau Bayer-Rougleau ihre Erklärungen, "und mit dieser neuen Video Schnittstelle haben wir noch nicht sehr viel Erfahrung." Sie atmet leicht erregt auf, "Mr. Mc Dervall versucht, seine Gedanken breitgefächert auszusenden. Dies ist eine bewährte und erfolgversprechende Methode. Es funktioniert wie eine Art Raster."

Die Kamera zoomt etwas zurück, im Hintergrund blinken zalreiche Leuchtdioden der Apperaturen. Mr. Davis Mc Dervall atmet ruhig und gleichmässig, seine Augen sind geschlossen. Es scheint, die Aktivität nähme gemäss den Erwartungen zu. Renate Bayer Rougeau fährt fort. "Wie bei jedem Medium wird dabei viel Rohmaterial, wie wir sagen, empfangen. Mr. Davis Mc Dervall versucht nun, sich auf ein deutliches, starkes Muster einzustellen."

"Was für Bilder dürfen wir denn erwarten?" steuert Schmottke das Gespräch. "In der Regel sehen wir das, was eine unbekannte Personen sieht." erläutert Renate, "Meist überraschen wir sie bei ihren alltäglichen Arbeiten." "Das heisst, irgend jemand da draussen kann jetzt beobachtet werden?" fragt Skoran in überraschtem Tonfall. Die Spannung steigt.

"Ja genau. So ist es." bestätigt die Assistentin und nickt. "Wir können nicht exakt eine bestimmte Person heraus suchen. Mr. Mc Dervall ist natürlich bemüht, einen Kontakt zu intensivieren. Je nachdem." Renate fährt mit einer Hand durch ihre Haare. "Es hängt von sehr vielen Faktoren ab. Hauptsächlich von dem momentanen Aktionspotential der anvisierten Person und ihrem motorischen Ruhegrad."

"Ja," unterbricht Schmottke das Fachlatein, "können unsere Zuschauer dabei mithelfen?" fragt er direkt. "Aber ja, das ist sogar sehr wichtig." "Was können wir tun, wie können wir helfen?" fragt Schmottke mit samtweicher Stimme.

"Erstmal müssen sie sich absolut ruhig verhalten und sich völlig entspannen." Die Studio beleuchtung wird etwas zurückgefahren. Mr. Mc Dervall gibt einen schwachen Brummton von sich. "Oh, ich glaube, es ist soweit." Schnell begibt sich Frau Bayer-Rougleau zu ihrer Apperatur. Neugirig, mit den Zehen wippend verfolgt Schmottke das Geschehen. "Wir haben einen!" platz die Assistentin heraus. "Ja, dann lassen sie uns doch mal sehen." meint Skoran.

Die Regie schaltet das Bild erneut um. Man erkennt deutlich ein Wohnzimmer. Ein Bild mit röhrendem Hirsch hängt über einem alten Sofa mit Eichenlaub Musterung. Daneben eine Stehlampe mit altmodischen Schirm und deutlich ist ein Fernseh Gerät zu erkennen. Im Vordergrund sind zwei Knie einer sitzenden Person zu sehen, ein Bierglas oder ähnliches ragt seitlich ins Bild.

Langsam wird seitens der Regie Ton beigemischt. Offensichtlich läuft der Spielfilm eines anderen Senders. Auf der Mattscheibe ist nichts genaues zu erkennen. Es ereignet sich nicht sonderlich viel. Der Bildrand ist deutlich unscharf, wie durch Wolken begrenzt.

Schmottke macht einen hörbaren Schritt auf der Bühne. Die Kamera wird umgeschaltet. Flüsternd erklärt er seinen Zuschauern die Szene. "Ja, verehrte Zuschauer. Wir sind in das Gehirn einer anderen Person geschlüpft. Wir können sehen, was diese Person sieht. Ist das nicht aufregend?"

Deutlich wird der abgehörte Ton erkennbar. "Wir sehen und hören," setzt Schmottke beinahe väterlich hinzu, "mit den Augen und Ohren einer anderen Person. Sie sehen selbst, Mind Controll gibt es wirklich, es funktioniert. Ganz ausgezeichnet."

Nach kurzer Pause, auf dem eingefangenen Bild verändert sich fast nichts, sorgt Schmottke für etwas Unterhaltung. "Ich möchte sie alle, zu Hause an ihren Bildschirmen bitten, ihre Gedanken Mr. Mc Dervall bereitzustellen. So können wir weitere Einzelheiten erfahren. Wie mir die Regie eben mitgeteilt hat, schaut sich unser Objekt den Kriegsfilm auf IKR Sattellit an."

Das Glas des Objektes bewegt sich. Deutlich erleben die Zuschauer, wie sich das Objekt eine grossen Zug genehmigt. Weitere Einzelheiten auf dem Bildschirm des Objektes werden erkennbar. Dort fahren Panzer in Kolonne, am Starssenrand maschiert Infantrie. Man kann sogar die Rangabzeichen der Uniformen ausmachen.

Plötzlich bricht das Bild zusammen. In Sekunden Bruchteilen wird auf eines der Abzeichen gezoomt, und wieder zurück. Der Bildhintergrund hat sich völlig verändert.

Man erkennt ein gepanzertes Spähfahrzeug auf sechs Rädern. Davor steht ein Soldat mit genau den gleichen Rangabzeichen. Das Fahrzeug steht in einem gepflasterten Innenhof, ein älteres Steingebäude auf der einen Seite, ein schmiedeeisernes Tor auf der anderen Seite.

Ja und am Gebäude weht eine ehemalige Fahne sanft im Wind. Heftige Geräusche aus zahlreichen Schusswaffen untermalen die neue Szenerie. Scheinbar wird aus Bodennähe beobachtet.

"Unser Objekt ist in seine Erinnerungen zurückgefallen." erleutert die Assistentin. "Das ist ganz normal, es dauert nicht lange, sollen wir den Kontakt unterbrechen?" Dies fragt sie nicht nur aus rein retorischen Gründen. Es sind deutlich die Hoheitszeichen der Wehrmacht überall zu erkennen. Das öffentliche Ausstrahlen solcher Symbole ist immer noch strengstens verboten.

Bevor Schmottke etwas entgegnen kann, kommt Leben in das übertragene Bild. Hinter dem schmiedeeisernen Tor fährt ein Sherman Panzer vor. Ebenfals mit deutlich erkennbaren Hoheitszeichen. Das Bild wird eingegrenzt durch einen Holzrahmen. Offensichtlich wird aus einem Kellerfenster heraus beobachtet. Der Sherman Panzer wendet, drückt das Tor beiseite und fährt in den Innenhof.

Vom Spähpanzer aus wird geschossen. Laute Rufe ertönen wie aus der Ferne. Plötzlich schiebt sich ein längliches, verrustes Rohr ins Bild. Mit einem ohrenbetäubendem Krachen wird alles in schwarzen Rauch gehüllt. Eine zweite Explosion folgt unmittelbar dannach.

Das Bild verdunkelt sich kurz. Die Töne des Spielfilmes überlagern das Szenarion. Der Rauch löst sich auf, ein brennender Sherman Panzer füllt das Bild. Deutlich wird, dass das Objekt aus einem Kellerfenster heraus beobachtet. Ein Schwenk über den Innenhof zeigt stark verkohlte Leichenteile. Äusserst unangenehm. Im Hintergrund startet der Spähpanzer seinen Motor.

Da, ein weiterer Sherman Panzer taucht auf. Mehrere Soldaten drängen sich in den Innenhof. Der Spähpanzer wird beschossen. Der Lärm ist fast nicht auszuhalten. Eine Granate explodiert genau über dem Fenster. Staubwolken breiten sich aus, Gebälk splittert, das gesamte Bild zittert wie bei einem Erdbeben.

Ein Streichholz wird angezündet. Man sieht eine geballte Ladung, mehrere Handgranaten an einem Stiel. Sie wird geworfen, irgendwo ins Dunkel hinein. Ein greller Lichtblitz durch dicke Finger gesehen begleitet noch eine Explosion. Ein Loch in der Kellerwand zum Nachbargebäude tut sich auf.

Man schreitet hindurch. Im fahlen Licht sitzt eine ältere Frau und blickt einen kreidebleich an. "Na Kleener? Haste noch nich jenuch?" hört man die Faru sagen. "Komm hier lang," sie deutet auf einen Kohlehaufen, "und lass dene Juniform liechen."

Das Bild bricht zusammen, ein Fernsehgerät in einem Wohnzimmer ist wieder zu sehen. Diesmal eher von oben herab. Es scheint, das Objekt ist aufgestanden. Ja, es läuft in der unbekannten Wohnung herum, zur Türe, hinaus in den Flur, zu einem Schrank aus furnierten Pressholzplatten. Die Schranktür wird aufgemacht, eine Uniform ist zu erkennen, mit allem drum und drann. Eine ältere Hand greift in eine der Taschen. Ein alter Wehrpass kommt ins Bild. Gerhard Zinser ist lesbar, daneben ein Knabengesicht als Passfoto.

Unerwartet plötzlich schwenkt das Bild um 180 Grad. Man sieht einen Spiegel, darin einen sehr alten Mann in leicht gebückter Haltung. Eine butterweiche Stimme von sehr weit her ertönt, "Eigentlich bin ich ja immer noch Soldat... ich hab mich nie ergeben..."

Plötzlich nimmt die Person im Spiegel Haltung an. Ein millitärischer Gruss wird zellebriert. Mit lauter Stimme sagt das Spiegelbild: "Kameraden, wir..."

Die Verbindung bricht zusammen. Das gewohnte Bühnenbild aus Schmottkys Mitternachts Show erscheint. Mehrere Personen in schwarzen Massanzügen laufen eifrig hin und her. Ein Mann mit Aktenkoffer tritt gewichtig hervor. Die Kammera zoomt drauf. "Verehrte Zuschauer." Die Person spricht mit bayrischem Akzent. "Leider wird diese Sendung nicht weiter fortgesetzt." Der Bildschirm verdunkelt sich.

Axel, ein Zuschauer, 12-jährig, gafft mit weit aufgerissenen Augen und einem offenem Mund auf die schwarze Mattscheibe. Wie erstarrt liegt er auf dem Boden. Minutenlang dauert dieser Vorgang an.

Endlich flimmert die Röhre wieder. Eine unscheinbare Ansagerin erklärt, das die Schmottky Mitternachts Show leider unterbrochen wurde. Aber, man würde nach einer kurzen Werbung in ein laufendes Programm einblenden.

Es folgt ein Werbespott für Hundefutter. Dannach wird das Programm wie angekündigt fortgesetzt. Mit einem Spielfilm aus dem IKR Satellit Programm.

Axel schaut noch ungefähr zehn Minuten zu, dann künden Geräusche von der Haustüre das Heimkommen seiner Eltern an. Schnell springt er auf, schaltet den TV aus und verschwindet in seinem Zimmer. Es scheint, als wäre er sehr zufrieden mit seiner heutigen Tagesausbeute. Jedenfals liegt er noch lange wach in seinem Bett.

Eine ganz normale Samstagnacht nähert sich unaufhaltsam ihrem Ende.

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